mehr Schule = mehr Bildung = mehr Chancen
0Jutta Lieder, Rektorin der Pestalozzi-Grundschule, im Interview mit InWeinheim.de
Drei Jahre alt ist das Baby an der Pestalozzi-Grundschule, das Baby „Ganztagsschule“. So lange schon beschäftigt sich das Projektteam an der traditionsreichen Schule in der Kernstadt mit dem Thema „gebundene Ganztagsschule“. Fortbildungen beim Kultusministerium, Fremdevaluation (in der die Schule übrigens Bestnoten erhielt), Seminare und Qualitätsmanagement – das sind die Aufgaben, die seit den letzten Jahren gestemmt werden müssen. Im Juli 2014 wurde im Landtag das Gesetz für die Ganztagsgrundschule verabschiedet. Jetzt haben Schulträger (sprich: die Stadt) und die Schulen die Möglichkeit, Fördermittel zu beantragen und das Konzept umzusetzen. Frau Lieder und ihr Team haben sich auf den Weg gemacht, und sie gehen ihn gerne.
InWeinheim: Frau Lieder, wenn Sie über das Konzept Ganztagsschule sprechen, merkt man richtig, wieviel Ihnen das bedeutet!
Jutta Lieder: Ja, das stimmt – mein Team und ich brennen für die Sache. Wir sind mit ganzem Herzen dabei, weil wir einfach von dem Konzept überzeugt sind. Ab dem Schuljahr 2016/17 wird es einen neuen Bildungsplan geben, den es gilt bestmöglich an den Schulen umzusetzen. Wir glauben, dass eine optimale Umsetzung nur in Form einer Ganztagsschule erfolgen kann.
InWeinheim: Ganztagsschule – das heißt, den ganzen Tag büffeln?
Jutta Lieder: Nein, das heißt es eben nicht. Schule ist viel mehr als reines Lernen. Der starre Stundenplan muss rhythmisiert werden, das heißt Unterricht, Pausen und Freizeitangebote werden flexibel über den ganzen Tag verteilt. Von 8 Uhr bis 15 Uhr wird bei uns gelernt, gelebt, gegessen und pädagogisch ganzheitlich gearbeitet. Das Schulleben ist den altersentsprechenden Bedürfnissen der Kinder angepasst und wird im sinnvollen Wechsel von Konzentration zu Entspannung, von Bewegung zu Ruhe und von Gemeinschaft und Rückzug umgesetzt. Wir werden die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Sportvereinen und Musikschule noch weiter als bisher ausbauen. Die Stadt wird eigens für die Organisation dieser Aktivitäten eine pädagogische Fachkraft einsetzen.
InWeinheim: A propos Stadt – also der Schulträger der Pestalozzi-Schule. Wie nimmt man dort Ihre Pläne auf?
Jutta Lieder: Absolut positiv! Durch meine vielen Fortbildung im ganzen „Ländle“ habe ich auch einen Einblick in andere Kommunen. Was hier in Weinheim von Seiten der Stadt geleistet wird, ist wirklich enorm und weit über dem Standard. Die Voraussetzungen, dass Schule gelingen kann, sind hier optimal. Und mein Kollegium und ich wollen das Optimale für unsere Schüler.
InWeinheim: Dennoch haben die Eltern die Entscheidung, ob die Pestalozzischule zur Ganztagsschule wird oder nicht. Was ist, wenn Eltern sich dagegen entscheiden?
Jutta Lieder: Jede Familie ist individuell und mit ihr die Vorstellung von Schule. Das Elternrecht ist das höchste Gut, und ich respektiere jede Entscheidung – auch wenn sich Eltern gegen das Ganztagsmodell entscheiden und den Schulbezirk wechseln. Allerdings sehe ich in der Ganztagsschule eine einmalige Chance, Schule konzeptionell anspruchsvoll zu gestalten. Wir sind in der Kernstadt über dem Limit, was die Betreuungssituation angeht. Der Hort funktioniert sehr gut, aber platzt aus allen Nähten.
InWeinheim: Warum wird es denn keine Wahlmöglichkeit für Eltern geben?
Jutta Lieder: Eine verbindliche oder gebundene Ganztagsschule kann sich den individuellen Lernbedürfnissen eines Grundschülers am besten anpassen. Wir sind dadurch flexibler und entlasten somit auch die Familien; die Hausaufgaben sind bereits erledigt und auch individuelle Förderstunden können angeboten werden. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird dadurch erheblich erleichtert, zumal der Besuch einer Ganztagsschule ja kostenlos sein wird – bis auf das Mittagessen.
InWeinheim: Das Mittagessen ist auch verbindlich?
Jutta Lieder: Hier möchte ich gerne Eltern entgegenkommen, die ein gemeinsames Familien-Mittagsessen vorziehen. Das sogenannte „Mittagsband“ – die Mittagspause- wird wählbar sein, und die Schüler dürfen, natürlich mit den Eltern abgesprochen, nach Hause.
InWeinheim: Im Moment läuft ja gerade die große Elternbefragung, auch ein Zeichen dafür, wie wichtig Ihnen einen Zusammenarbeit mit den Eltern ist.
Jutta Lieder: Ich habe tolle Briefe von Eltern bekommen, die uns darin bestärken, dass der Weg, den wir einschlagen, der richtige ist. Und diesen Weg wollen wir alle gemeinsam gehen, Eltern, Kinder und Lehrer.
Herzlichen Dank an Rektorin Jutta Lieder, die unser Gespräch in ihren vollen Stundenplan gequetscht hat.
Interessante Links zum Thema:
Ganztagsschule in Baden-Württemberg
Deutsche Kinder- und Jugendstiftung ganztaegig-lernen
Auf die Plätze, fertig los! Der kurze Film erklärt einfach und verständlich den Tagesablauf an einer Ganztagsschule.
Was sagt die Hirnforschung zum Thema Ganztagsschule?
Gerhard RothGerhard Roth ist Professor für Verhaltensphysiologe und Entwicklungsneurobiologe an der Universität Bremen und leitet das dortige Institut für Hirnforschung. In seinem Buch „Bildung braucht Persönlichkeit – Wie Lernen gelingt“ diskutiert er über Qualität von Lernen und Lehren.
Selbständiges Lernen ist am Anfang ein Lernen unter Anleitung der Lehrerinnen und Lehrer. Der Schüler muss – das gilt übrigens für Studierende genauso, ob hochbegabt oder nicht – erst einmal lernen, wie man lernt. Was ist dabei wichtig? Zunächst geht es um intensive Schulungen und dann um einen gelungenen Rückzug. Phasen der Selbstanleitung und Selbstgestaltung nehmen zu. Also es ist ein langer Weg von der reinen Instruktion zur Selbstkonstruktion, und er muss gemacht werden und das kann man nur in der Ganztagsschule. Interessanterweise steigt mit jedem Schritt in die Selbständigkeit die Intensität des Lernens und damit der Lernerfolg im Allgemeinen.
Quelle: Interview von Dr. Sabine Schweder, Universität Greifswald, 28.10.2013
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